Finaler Rechtstext der Forced Labour Verordnung

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Am 13. März 2024 hat der Rat auf Botschafterebene eine angepasste Version des am 5. März 2024 erzielten Trilogergebnisses zur EU-Zwangsarbeitsverordnung angenommen. Das veränderte Trilogergebnis wurde am 21. März 2024 von den zuständigen Ausschüssen für internationalen Handel sowie für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des Europäischen Parlaments (EP) angenommen.

In diesem Zusammenhang ist auch der finale Rechtstext der Verordnung bekannt geworden (siehe Anhang).

Die zentralen Festlegungen des Verordnungstexts im Vergleich zum Kommissionsentwurf:

  • Die Definition von „Zwangsarbeit“ ist um einen Verweis auf „Kinderarbeit“ aus derselben Konvention ergänzt worden.
    • Mit der Definition derLieferkette“ wird ein rein produktbezogener Ansatz verfolgt, bei dem lediglich Produkte und ihre Rohstoffe bzw. Vorprodukte untersucht werden. Nebenbereiche wie Dienstleistungen rund um die Produkte fallen nicht unter die Verordnung.
    • Die Definition des Endverbrauchers umfasst neben natürlichen Personen auch juristische Personen (Unternehmen), sofern sie die Produkte endverbrauchen.
    • Mit der Definition der „federführenden zuständigen Behörde“ sowie ausführenden Bestimmungen wird der Europäischen Kommission bei der Durchführung der Verordnung eine stärkere Rolle zugeschrieben. Sofern ein Verdacht von Zwangsarbeit außerhalb des Territoriums der EU vorliegt, soll die Kommission als ermittelnde und entscheidende Behörde agieren. Auch die Vorgaben zu Nachprüfungen in Drittländern fallen in den Zuständigkeitsbereich der Kommission. Für Fälle von Zwangsarbeit innerhalb der EU sollen die jeweiligen mitgliedstaatlichen Behörden zuständig sein.
    • Die Kommission soll eine Datenbank mit überprüfbaren und regelmäßig aktualisierten Informationen über Zwangsarbeitsrisiken einrichten (Art. 8). Ziel der Datenbank ist es, die ermittelnde Behörde bei der Umsetzung der Verordnung zu unterstützen. In diesem Zusammenhang soll ebenfalls eine Liste bestimmter Wirtschaftszweige in geografischen Regionen erstellt werden, in denen staatlich verordnete Zwangsarbeit vorkommt.
    • Bei der Ermittlung von Zwangsarbeit soll nach einem risikobasierten Ansatz vorgegangen werden: Ausschlaggebend für die Einleitung von Ermittlungen soll die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Zwangsarbeit, das Ausmaß und die Schwere der mutmaßlichen Zwangsarbeit, das Vorliegen von staatlich auferlegter Zwangsarbeit, die Menge der Produkte auf dem Unionsmarkt sowie der Anteil der Zwangsarbeit am einzelnen Produkt sein. Wichtige Faktoren sind zudem die Nähe der Unternehmen zu den vermuteten Zwangsarbeitsrisiken in ihrer Lieferkette sowie ihre Einflussmöglichkeiten, um diese Risiken anzugehen.
    • Behördliche Untersuchungen und Entscheidungen sollen einer Reihe von Kriterien folgen. Darunter fallen die Komplexität der Lieferkette, die Größe und die wirtschaftlichen Ressourcen des betroffenen Unternehmens sowie sein Status als KMU. KMU sollen verschiedene Unterstützungsmaßnahmen durch die Kommission direkt erhalten.
    • Zur zusätzlichen Unterstützung soll ein einheitliches Portal zum Thema Zwangsarbeit eingerichtet werden. Hier sollen unter anderem die Leitlinien, Informationen über Verbote, die Datenbank der Risikobereiche und -sektoren sowie öffentlich zugängliche Beweismittel und eine Meldestelle für Hinweisgeber bereitgestellt werden.
    • Ergänzend und darauf aufbauend soll ebenfalls ein Unionsnetzwerk gegen Zwangsarbeitsprodukte eingerichtet werden, um die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu verbessern.
    • Die Ermittlungen der Kommission oder nationalen Behörde müssen spätestens nach neun Monaten beendet und eine Entscheidung getroffen werden.
    • Sofern „strategisch wichtige oder kritische“ Rohstoffe oder Produkte aus solchen Rohstoffen betroffen sind, kann die ermittelnde Behörde von der Marktentnahme unter bestimmten Umständen absehen. Solche Rohstoffe oder Produkte werden zunächst lediglich zurückgehalten. Das Unternehmen hat dann die Möglichkeit, die Beseitigung der Zwangsarbeit für die Zukunft nachzuweisen. Nach diesem Nachweis erfolgt dann eine Freigabe. Dieses System gilt im Falle von austauschbaren Komponenten nur für diese Teile.
    • Die Verordnung soll drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten gelten.

Nächste Schritte:

Die Trilogeinigung muss nun im Plenum des EP – wohl am 22. oder 23. April 2024 – sowie formell vom Rat angenommen werden.

Bewertung:

Die vielen Verbesserungen, die der Rat bereits in seiner Allgemeinen Ausrichtung erzielt hatte, finden sich auch im Trilogergebnis wieder und wurden teils noch weiter ausgebaut. Problematische Vorschläge des EP wie eine Beweislastumkehr oder eine mögliche Pflicht zur Widergutmachung haben sich richtigerweise nicht durchsetzen können. Es ist richtig, dass die Kommission in den entscheidenden Anwendungsfällen ermittelnde und entscheidende Behörde ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Vorgaben der Verordnung innerhalb der gesamten Union einheitlich und gleichmäßig umgesetzt werden. Insbesondere mit Blick auf Untersuchungen in Drittstaaten ist ein wirkmächtiges Auftreten der EU als Ganzes zielführend. Die Beschränkung innerhalb der Lieferkette auf (Vor-)Produkte – insbesondere in Abgrenzung zu Dienstleistungen – macht die Verordnung praktikabler.

Gleichzeitig wird der zu kontrollierende Umfang überschaubarer. Die Definition des Endverbrauchers ist nun rechtssicherer gefasst. Mit der Unterstützung und Anleitung insbesondere für KMU sowie den Informationen aus dem Portal und Netzwerk kann ein handhabbares und transparentes Verfahren geschaffen werden. Inwiefern die Ausnahme für strategisch wichtige oder kritische Rohstoffe und Produkte relevant ist, bleibt abzuwarten. Für die Praxis gilt es nun, die Kriterien zur Aufnahme von Ermittlungen und den Erlass von Entscheidungen praxistauglich anzuwenden. Dabei müssen insbesondere das Maß der Zwangsarbeit und die Möglichkeiten der Unternehmen im Einzelfall entsprechend berücksichtigt werden.

Die Zwangsarbeitsverordnung überschneidet sich jedoch in zentralen Punkten mit der EU-Wertschöpfungsketten-Richtlinie (CSDDD), die Unternehmen vor massive Probleme stellen wird.